Für die beiden frisch entlassenen Lotto-Chefs aus Sachsen-Anhalt hört der Trouble scheinbar nicht auf. Aktuellen Prüfberichten zufolge soll es sich bei einer Reihe ihrer „Verfehlungen“ um handfeste Ordnungswidrigkeiten gehandelt haben. Beispielsweise dreht es sich dabei um die Frage, ob die beiden Geschäftsführer richtig reagiert haben, nachdem sich vor rund drei Jahren in einer Lottoannahmestelle in Zerbst einige sogenannte Großspieler breit machten und es durch sie zu einer „Explosion der Umsätze“ kam. Die Glücksspielaufsicht des Innenministeriums von Sachsen-Anhalt ist zu dem Schluss gekommen, dass die frühere Lotto-Spitze in diesem Zusammenhang, wie auch in einigen anderen, nicht richtig agiert hat. Das hat nun ein folgenschweres Nachspiel für Maren Sieb und Ralf von Einem, denn die Aufsichtsbehörde wird ein Verfahren gegen die beiden einleiten. In der Begründung heißt es, dass die Lotto Geschäftsführung zu keinem Zeitpunkt einen vollständigen Bericht über diese undurchsichtigen Großspieler, die in der kleinen Annahmestelle in Zerbst so hohe Oddset Sportwetten tätigten, beim Ministerium für Glücksspielaufsicht abgegeben hätten. Laut der bei Sportwetten-Konzessionen festgelegten Bestimmungen waren sie allerdings dazu verpflichtet, über derartige Auffälligkeiten zu informieren. „Es besteht bei den hier zu betrachtenden Ereignissen keine Holschuld der Glücksspielaufsicht, sondern eine Bringschuld der Lotto Toto GmbH Sachsen-Anhalt", heißt es in der Begründung weiter.

Verfahren hat Einfluss auf Abfindungen

Lotto Sachsen AnhaltAktuell muss man davon ausgehen, dass das anstehende Verfahren auch erheblichen Einfluss auf die künftigen Gespräche zwischen dem Land Sachsen-Anhalt und den beiden entlassenen Lotto-Chefs haben wird, bei denen es um die Höhe der Abfindungssummen geht. Im Sommer dieses Jahres wurden Maren Sieb und Ralf von Einem zunächst nur freigestellt und vor wenigen Wochen dann endgültig abberufen. Der Aufsichtsratschef der Lotto Toto GmbH Sachsen-Anhalt, CDU-Mann Thomas Weibel, begründete die Entlassung der beiden Geschäftsführer Sieb und van Einem mit einer Reihe von Verfehlungen, denen in erster Linie die „unzureichende Unterrichtung der Aufsichtsgremien“ vorstand. Von „verlorenem Vertrauen“ sprach der Staatssekretär für Finanzen Rüdiger Malter nach der Abberufung. Die Arbeitsverträge der beiden Lotto Manager laufen offiziell noch bis Ende kommenden Jahres. Offen ist derzeit, wie hoch die Summe der Abfindungen sein wird. Die Lotto Geschäfte werden derzeit übergangsweise von einem Experten des Finanzministeriums geleitet, bis die Nachfolge endgültig geklärt ist. Kommentare zur aktuellen Entwicklung und den möglichen Folgen eines solchen Verfahrens durch die Aufsichtsbehörden gab das Finanzministerium nicht ab. Auch die Lotto Toto GmbH Sachsen-Anhalt hüllt sich diesbezüglich in Schweigen. Sie ließ lediglich durch eine Sprecherin mitteilen, dass sich derzeit eine interne Arbeitsgruppe mit der Prüfung der vorliegenden Berichte beschäftigt, diese anschließend bewertet und im Anschluss aufgrund der dann vorliegenden Ergebnisse dem Aufsichtsrat neue Maßnahmen vorschlagen wird.

Auch Unternehmensberater legt Bericht vor

Bei den Vorgängen, die in erster Linie in der Kritik stehen, handelt es sich um insgesamt neun Personen – auch Großspieler genannt – die in einer kleinen Lotto-Annahmestelle in Zerbst sehr hohe Gewinne erzielten, und zwar in einem Zeitraum von mehreren Jahren. Einer der Gründe für diese hohen Gewinne ist die Erhöhung des Spiel-Limits, das von der Lotto Toto GmbH Sachsen-Anhalt genehmigt worden war. Der wöchentliche Umsatz im Bereich Sportwetten stieg nach einem Inhaberwechsel in dieser Annahmestelle allein in 2017 von ca. 300,- Euro auf 10.000,- Euro an. Ein Jahr darauf wurden über eine Kundenkarte satte 1,35 Millionen Euro eingesetzt, mit denen dann insgesamt 1,53 Millionen Euro Gewinn erzielt werden konnten. Zwar wurde die Geldwäschestelle von den Lotto-Chefs informiert, die dafür zuständigen Gremien und Behörden des Landes erhielten hingegen keinen Bericht über diese  Vorgänge. „Der Berichtspflicht an den Aufsichtsrat wurde unserer Auffassung nach nicht in angemessenem Umfang beschlossen", kommentiert eine große Unternehmensberatung in einem Bericht, der neben den Untersuchungen der Glücksspielaufsicht von der Lotto Toto GmbH Sachsen-Anhalt in Auftrag gegeben worden war.

Lotto-Chefs kamen ihren Pflichten nur teilweise nach

Die Diskussionen um diese mysteriösen Vorgänge in der Zerbster Lotto-Annahmestelle sorgen schon seit Längerem für reichlich Zündstoff. Ein Untersuchungsausschuss des Magdeburger Landtags beschäftigt sich derzeit mit den mutmaßlichen Verfehlungen. Auch der Landesrechnungshof hat die gesamte „Angelegenheit“ zur Überprüfung auf dem Tisch. Die Zulassung für Lotto und Toto wurde der Inhaberin der Annahmestelle in Zerbst bereits im Januar dieses Jahres entzogen. Zu einer Sperrung kam es für die Großspieler. Seither sind sie auch nicht mehr in Erscheinung getreten. Andreas Steppuhn (SPD) ist der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses. Er bestätigt, dass die diversen Prüfberichte die Basis für weitere Gespräche innerhalb des Gremiums sein werden. Darin wird eine Reihe von Versäumnissen bestätigt, die bereits vom U-Ausschuss aufgedeckt werden konnten. Die Vorwürfe haben sich allerdings nicht bestätigt, aufgrund dessen der Untersuchungsausschuss ins Leben gerufen wurde. Bei den hohen Wetteinsätzen hätte es sich nicht um die Manipulation einzelner Spiele oder um Geldwäsche gehandelt, sondern ausschließlich um „... organisiertes gemeinschaftliches Tippen“. Andererseits traten deutliche „Verfehlungen“ der Lotto Geschäftsführung zutage. Zu dieser Ansicht gelangt auch die Glücksspielaufsicht des Innenministeriums, wie sie in einem 40 Seiten langen Bericht darlegt: Die Lotto-Chefs seien ihrer Pflicht hinsichtlich mutmaßlicher Geldwäsche insofern nachgekommen, als dass sie die zuständige Geldwäschestelle informiert hätten. Da es an entsprechenden Bestimmungen mangelt, kann man der landeseigenen GmbH nicht vorwerfen, dass sie sich nicht darüber erkundigt hat, wie die Ermittlungen in dieser Sache vorangeschritten sind.  Wegen einer möglich Spielmanipulation sind im August dieses Jahres alle Verfahren von der Staatsanwaltschaft in Halle eingestellt worden.