Kaum ein Wort wird in der heutigen Zeit so häufig benutzt wie „Mindestabstand“. Ja sofort klingeln da die Ohren und reflexartig kommt ein „1,50 Meter“ aus dem Mund hervor geschossen. Jedenfalls sollte das so sein. Aber nicht nur der medizinische Mindestabstand beschäftigt Luxemburg, sondern auch eine kleine Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern, die mit Spielhallen zu tun haben. Und dabei insbesondere solche, die Vorgaben und Gesetze formulieren, sich um deren Einhaltung kümmern und mit den Folgen der Anwendungen solcher zu tun haben. Viele Bundesländer haben im Zuge des „Spielerschutzes“ Mindestabstände zwischen Spielhallen und Mindestabstände von relevanten Einrichtungen wie z.B. Schulen, Kindergärten und Jugendzentren erlassen. Auf welcher Grundlage aber? Das beschäftigt nun auch einen Berliner Senats-Abgeordneten, denn er stellte eine schriftliche Anfrage an den Berliner Senat und dessen Antworten bergen einiges an Zündstoff.

Antworten, die Zündstoff bergen

Spielhalle CasinoOb Marcel Luthe, seines Zeichens Berliner Senats-Abgeordneter und zurzeit fraktionslos, nachdem ihn die FDP im Juli dieses Jahres ausgeschlossen hatte, ein persönliches Interesse an Spielhallen oder Sportwetten-Geschäften hat, ist nicht bekannt. Der streitbare Politiker, der als der bekannteste FDP-Politiker in Berlin und Ehrenprofessor der Universität Kunduz, Afghanistan, häufig durch kontroverse Meinungen in Erscheinung getreten ist, hat mit seiner Anfrage auf alle Fälle so etwas wie eine kleine Bombe hochgehen lassen. Während Gerichte in der ganzen Republik die Mindestabstände zwischen Spielhallen oder die Mindestabstände von Einrichtungen, die hauptsächlich von Jugendlichen und Kindern genutzt werden, bestätigen – wie zuletzt erst das Verwaltungsgericht in Kassel – so fragte er den Berliner Senat, auf welcher wissenschaftlichen Grundlage der Berliner Beschluss zum Mindestabstand zustande gekommen sei. Also konkret: Ob es überhaupt wissenschaftliche Studien hierzu gäbe und wenn ja, welche. Im Einzelnen waren dies die Fragen und die Antworten.Wir zitieren hier die „Drucksache 18/24 267 – Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marcel Luthe vom 27. Juli 2024 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Juli 2024) zum Thema: Pech im Spiel II und Antwort vom 10. August 2024 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Aug. 2024)“ von der Senatsverwaltung für Inneres und Sport:

„Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre schriftliche Anfrage wie folgt:

1) Am 5. März hat das Abgeordnetenhaus von Berlin den Gesetzesentwurf für ein Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag (Drucksache 18/2472) des Senats beschlossen. Sowohl in der dazu geführten Plenardebatte als auch in den Begründungen wurde als ein erhebliches Argument ein angeblich notwendiger „Mindestabstand“ genannt, zu dem weder der Senat noch die Befürworter dieser Regelung eine wissenschaftliche Grundlage benennen konnten, jedenfalls in der parlamentarischen Beratung nicht genannt haben.

Welche wissenschaftlichen Studien – bitte nach Verfasser, Titel, Jahr der Veröffentlichung und etwaiger Fundstellen – hat der Senat bei der Erstellung und Prüfung seines Gesetzentwurfs herangezogen?

Zu 1.:

Der Senat in seiner Funktion als Beschlussorgan für Gesetzesinitiativen u.ä. führt grundlegend und auch vorliegend keine eigenen Aktenbestände zu den Materialien aus der Erarbeitung entsprechender Entwürfe. Derartige Materialien liegen vielmehr nur bei den beteiligten Ressorts vor; es wird auf die nachfolgenden Antworten zu den Fragen 2) bis 5) verwiesen.

2) Liegen der Senatsverwaltung für Inneres und Sport – wenn ja, welche – Studien vor, die den in den Debatten angesprochen „cooling down effect“ – also die Notwendigkeit eines bestimmten Abstands zwischen zwei Sportwettenanbietern, damit der Kunde „auf andere Gedanken kommt“ – belegen? Wenn ja, bitte nach Verfasser, Titel, Jahr der Veröffentlichung und etwaiger Fundstellen benennen. Gleichzeitig beantrage ich hiermit Akteneinsicht nach Art. 45 II VvB in diese.

Zu 2.:

Der Senatsverwaltung für Inneres und Sport liegen keine speziellen Studien zu dem angefragten Thema vor.

3) Liegen der Senatsverwaltung für Gesundheit – wenn ja, welche – Studien vor, die den in den Debatten angesprochen „cooling down effect“ – also die Notwendigkeit eines bestimmten Abstands zwischen zwei Sportwettenanbietern, damit der Kunde „auf andere Gedanken kommt“ – belegen? Wenn ja, bitte nach Verfasser, Titel, Jahr der Veröffentlichung und etwaiger Fundstellen benennen. Gleichzeitig beantrage ich hiermit Akteneinsicht nach Art. 45 II VvB in diese.

Zu 3.:

Der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung liegen keine speziellen Studien zu einem „cooling down effect“ bei Mindestabständen zwischen zwei Sportwettenanbietern (Wettvermittlungsstellen) vor. Aus gesundheitspolitischer Perspektive und aus der Suchtforschung sind Verfügbarkeitsbeschränkungen zur quantitativen Steuerung, auch durch Mindestabstände, als zielführend einzuschätzen.

4) Liegen der Senatsverwaltung für Verbraucherschutz – wenn ja, welche – Studien vor, die den in den Debatten angesprochen „cooling down effect“ – also die Notwendigkeit eines bestimmten Abstands zwischen zwei Sportwettenanbietern, damit der Kunde „auf andere Gedanken kommt“ – belegen? Wenn ja, bitte nach Verfasser, Titel, Jahr der Veröffentlichung und etwaiger Fundstellen benennen. Gleichzeitig beantrage ich hiermit Akteneinsicht nach Art. 45 II VvB in diese.

Zu 4.:

Der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung liegen weder Studien vor, die sich allgemein mit der Thematik des Mindestabstandes zwischen Wettvermittlungsstellen sowie Spielhallen-, Spielbank- oder Buchmacher-Betrieben zur Wahrung der Belange des Jugendschutzes und des Spielerschutzes beschäftigen, noch Studien, die sich konkret mit der Thematik – Notwendigkeit eines bestimmten Abstandes, etwa 500 oder mehr Meter, zwischen Sportwettenanbietern – auseinandersetzen. Dies gilt insbesondere auch für das Fachreferat wirtschaftlicher Verbraucherschutz.

5) Liegen der Senatskanzlei – wenn ja, welche – Studien vor, die den in den Debatten angesprochen „cooling down effect“ – also die Notwendigkeit eines bestimmten Abstands zwischen zwei Sportwettenanbietern, damit der Kunde „auf andere Gedanken kommt“ – belegen? Wenn ja, bitte nach Verfasser, Titel, Jahr der Veröffentlichung und etwaiger Fundstellen benennen. Gleichzeitig beantrage ich hiermit Akteneinsicht nach Art. 45 II VvB in diese.

Zu 5.:

Die Senatskanzlei einschl. Wissenschaft und Forschung meldet zu der Anfrage „Fehlanzeige“.“

Und daraus folgt…..

Vielleicht handelt es sich hierbei um eine Versachlichung der Diskussionen um den Sinn und die Wirksamkeit von Mindestabständen. Diese werden also nicht aufgrund von wissenschaftlichen Belegen festgelegt, sondern aus persönlichen Einschätzungen, welche Maßnahmen für die Suchtprävention sinnvoll seien und welche nicht. Gefühlt möchte man ja sagen, je weniger Anreize zum Spielen gegeben werden, desto weniger wird auch gespielt, d.h. wenn es nur eine, anstatt zehn Spielhallen gibt, gibt es auch nur einen Besucher statt zehn. So einfach ist es aber nicht, wie sich in der Vergangenheit in vielen andere Bereichen gezeigt hat, in denen eine Verknappung oder eine Eliminierung eines Angebotes zur Heransetzung von vermeintlich negativen Auswirkungen dieses Angebotes haben sollte. Prominentestes Beispiel ist wohl die Prohibition in den USA, die mitnichten zu einer Abstinenz der Bevölkerung geführt hat.

Es kann also sein, dass diese Anfrage so etwas wie eine Initialzündung in der Diskussion hat. Es bleibt abzuwarten.