Not macht bekanntlich erfinderisch. Und da sich die Alpenrepublik Österreich mal wieder in einem Lockdown befindet und fast alle öffentlichen Einrichtungen einschließlich der Gastronomie geschlossen sind, waren und sind natürlich auch die Sportwetten-Einrichtungen davon betroffen. Um aber den Spielerinnen und Spielern trotzdem die Möglichkeit zu geben, ihre Wetteinsätze zu tätigen, ist man auf die Idee eines Wettscheins To-Go gekommen. Der Gastronomie ist es schließlich erlaubt, Speisen To-Go anzubieten. Und dies sollte doch eigentlich auch bei Sportwetten funktionieren. So dachte man in Tirol wenigstens.

To-Go darf doch nicht sein

esport Sportwetten FussballEigentlich sah es ganz gut aus. Es gab eine Genehmigung, die vorsah, dass die Spielerinnen und Spieler das Wettbüro nicht betreten durften, aber ihren Wettschein an einer Art Schalter  abgeben konnten und im Gegenzug die Quittung dafür erhalten hätten. So sah es aus, ist es aber jetzt nicht mehr. Das Land Tirol hat diese Erlaubnis wieder gekippt.  „Auch wenn die Betriebsstätte nicht körperlich betreten wird, steht dies laut dem Gesundheitsministerium im Widerspruch zur Covid-19-Schutzmaßnahmenverordnung“, so die Begründung von Jakob Franz Kathrein vom Amt der Tiroler Landesregierung. Diese Verordnung soll dazu dienen körperliche Kontakte zu vermeiden, um so die Ausdehnung des Virus zu verhindern. Bei den Sportwetten To-Go würden sich die Kontakte nur vom Geschäft auf den Gehsteig verlagern und damit, so Katrein:  „Laut Gesundheitsministerium ist von einer unzulässigen Umgehung der Covid-19-Schutzmaßnahmenverordnung auszugehen“. Damit ist dann diese zauberhafte Idee auch erstmal vom Tisch. Also: sehr kreativ war sie, das muss man zugeben. Die Alpenrepublik ist ja mit ihren Glücksspiel- und Sportwetten-Gesetzen nie so ganz glücklich gewesen, und so ist es in der Vergangenheit immer wieder zu Novellierungen gekommen - dies einmal unabhängig von der derzeitigen Krise aus betrachtet. Den letzten großen Aufruhr gab es mit dem Verbot des Pokers. Dieses Spiel gilt ja erst seit 2014 als Glücksspiel in Österreich. Vorher hatte sich eine lebendige Szene entwickelt, die in privaten Clubs auch um richtiges Geld spielte. Man vergab aber nach der neuen Einstufung Sonderkonzessionen, die allerdings in diesem Jahr ausgelaufen sind und nicht erneuert wurden. De facto bedeutete dies, das Aus der Pokerclubs. Poker ist nunmehr nur noch in staatlicher Hand möglich.

Österreich und sein Glücksspiel

Dies war nun ein Ereignis in einer Reihe von Irritationen, die es im österreichischen Glücksspiel gab und gibt. Und schon droht neuer Ärger. Laut einem jüngsten Gutachten der Universität Osnabrück, in Auftrag gegeben von den privaten Glücksspiel- und Sportwettanbietern (OVWG), ist das Glücksspielgesetz in Österreich nämlich inkohärent und unionsrechtswidrig. So heißt es in dem Gutachten: „Die Ausgestaltung der Glücksspiel- und Wettregulierung sei mit dem unionsrechtlichen Kohärenzgebot unvereinbar und daher in weiten Teilen europarechtswidrig und unanwendbar". Nach der Meinung der durchführenden Wissenschaftler der Universität Osnabrück dürfen mehrere Regelungen erst gar nicht vollzogen werden - und zwar bis zu dem Zeitpunkt an dem der österreichische Gesetzgeber eine EU-rechtskonforme Neuregelung geschaffen hat. Insbesondere das Werbeverhalten des Casino-Austria Konzerns sollte vorerst unterbleiben.

Zusätzlich bedenklich halten die Wissenschaftler, dass Sportwetten nicht als Glücksspiel gelten und sie landesrechtlich weitgehend liberalisiert sind, ganz im Gegensatz zum Automatenspiel. Dies habe der Gesetzgeber nicht hinreichend begründet und somit verletze die Differenzierung zwischen Glücks- und Sportwettspiel das Kohärenzgebot der Europäischen Union.

Zu dem Thema Inkohärenz und Poker äußerten sich die Wissenschaftler auch. Insbesondere, dass Poker nur in den zwölf Spielstätten der Casino Austria Spielstätten betrieben werden könne, stieß negativ auf: „Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der VfGH Poker explizit als ein 'gemischtes Spiel' einordnet und damit auf eine Stufe mit Sportwetten stellt", so die Professoren Tristan Barczak von der Universität Passau und Bernd J. Hartmann von der Universität Osnabrück.

Einen weiteren Verstoß sehen die beiden Forscher auch in dem Umstand, dass die durch die Glücksspielgesetz-Novelle 2010 eingeführten drei zusätzlichen Casinolizenzen nach der Aufhebung der Konzessionsbescheide 2016 nicht erneut ausgeschrieben wurden. Damit würde der unionsrechtswidrige Rechtszustand der Engelmann-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2010 verfestigt. Damals kippten die europäischen Gerichte das Glücksspielmonopol, indem sie entschieden, dass die bis dahin stets freihändig an den Casinos-Austria-Konzern vergebenen Glücksspiellizenzen EU-weit ausgeschrieben werden müssen. Zum Zug gekommen ist seither wieder nur die teilstaatliche Casinos Austria AG.

Zudem sehen die Gutachter ein Ungleichgewicht zwischen Glücksspiellizenzen und Sportwetten. Von der ersten gäbe es nur eine, allerdings eine nicht begrenzte Anzahl an Sportwetten. „Der Unterschied lässt sich insbesondere mit Argumenten des Spielerschutzes nicht begründen." 

So kommt man in der Studie zu folgendem Resümee: „Das Gutachten belegt klar und deutlich die Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols und bestätigt damit eine Tatsache, auf die wir seit vielen Jahren hinweisen: Online-Anbieter, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU lizenziert sind, dürfen auch in Österreich anbieten". Welche Auswirkungen die Studie haben wird, ist noch ungewiss. Viel Diskussionsstoff hat man jetzt auf alle Fälle.